Sonntag, 29. Mai 2011

Es kommt alles anders wie man denkt

Ja und zwar so ganz anders wie man denkt.
An meinem ersten Tag im BoGa wurde ich zum Mittagessen eingeladen und zwar zum Plov essen. Plov ist das usbekische Nationalgericht und besteht in seiner Basis aus viel Reis, viel Fleisch, vielen Moehren, viel Knoblauch und viel Oel. Schmeckt traumhaft lecker - es gibt an die 500 Plov-Rezepte. Mit Kuerbis, mit Rosinen, mit Krautern, mit unterschiedlichen Fleischsorten, mit Erbsen und und und...
Da sass ich nun mit Prof. Chasanov und Kamil, die mich zum Essen eingeladen haben. Leider war die Stimmung meinerseits nach dem missglueckten Start immer noch nicht auf der Hoehe, ausserdem litt ich unter Schlafmangel. Jedenfalls meinte Prof. Chasanov im Laufe des Gespraeches, dass der Direktor und ein Paar Leute von der Akademie der Wissenschaften sich darauf geeinigt haetten, dass ich doch bitte so um die 250 bis 300 USD pro Monat zahlen soll - das war endgueltig zu viel. Ich war so geschockt, dass ich als Studentin, die auf eigene Kosten hergekommen ist, mich hier auf eigene Kosten verpflege auch noch den vernachlaessigten BoGa finanziell unterstuetzen soll, dass ich gleich mal klar gestellt habe, dass ich jederzeit abreisen wuerde und in keinster Weise bereit bin irgenwen zu bezahlen. Leider haben die verehrten Herrschaften in mir eine "Geldkuh" gesehen, die man melken koennte, weil ich aus Deutschland bin.
Habe mittlerweile gelernt, dass hier die Wissenschaft  gerne mit Finanzspritzen betrieben wird. 
D.h. fuer gutes Geld kriegt man problemlos einen Summa cum laude. Echte Wissenschaft wird ebenfalls betrieben, jedoch schätzt man einen Scheck mehr.
Nach einem ernuechternden Gespraech mit dem Direktor, der mir unter diesen Umstaenden einen Monat kostenfreies Praktikum zugesichert hat, wurde mir dann von höher gestellen Personen das Angebot gemacht, 3 Monate kostenfreies Praktikum zu machen. Habe beschlossen 2 Monate in Taschkent zu bleiben.
Im Klartext heisst es, dass ich meinen Auslandaufenthalt splitten werde und gerade weitere Plaene mache.

Im BoGa selber bin ich in der Dendrologie bei einer Botanikern untergebracht, Frau Nina Ivanovna Stonda (73), die ein unglaubliches Pflanzenwissen hat und eine natuerliche Autoritaet ausstrahlt, die Respekt und Achtung hervorruft. Egal welche Pflanze ich fotografiert habe und ihr gezeigt habe, alle Informationen ueber diese Pflanzen kamen sofort aus ihr heraus. Das ist goldwert.
Die Stimmung in der Dendrologie ist gut, familiaer und warmherzig. 
Ich erlebe hier fast alle Extreme - abhaengig von Mensch und Institution.

Samstag, 28. Mai 2011

Chilokatalpa - oder Chitalpa tashkentensis

Chilokatalpa oder Chitalpa tashkentensis

Ich habe eine „botanische Legende“ im BoGa kennengelernt.
Nikolaj Födorowitsch Russanov ist im Januar 1938 auf die Welt gekommen. Seine Eltern waren beide  Wissenschaftler. Sein Vater war Botaniker und Direktor des Botanischen Gartens in Taschkent. Seine Mutter hat einige neue Tulpensorten hervorbringen können und sie erfolgreich in Taschkent ins Stadtbild integriert. Die Leidenschaft für Naturwissenschaften und Botanik war Nikolaj Födorowitsch praktisch in die Wiege gelegt worden.
Nach seinem ausgezeichnetem Studium in Forst- und Agrarwissenschaften (1955-1960) arbeitete er die nächsten fünf Jahre im Bereich der Dendrologie, später in der Selektion und Introduktion von Laubbäumen. Seine Dissertation schrieb er über „ Catalpa bignonioides-Kultur in Taschkent“ und konnte sie 1967 erfolgreich verteidigen. Im selben Jahr begann seine lebenslange Arbeit im Botanischen Garten. Die nächsten zehn Jahre war Russanov für den Bereich ‚Ostasien‘ und damit für ca. 1050 Pflanzen  im BoGa verantwortlich. Der Botanische Garten ist wie eine Torte geviertelt und dazwischen mit schlängelnden Wegen durchquert. Jedes Viertel stellt eine geographisch bedeutende Pflanzenvielfalt dar.
1.      Krim-Kaukasus-Europa
2.      Nordamerika
3.      Fernost
4.      Zentral- und Ostasien
Prof. Russanov hat neben seiner Verantwortung für ‚Ostasien‘ auch noch Versuche in Hybridisierung von Pflanzen mit dem Ziel der Akklimatisation am neuen Standort und dekorativ wertvollen Gehölzen durchgeführt. Das Highlight dieser Arbeit ist ein Hybrid aus Catalpa bignonioides und Chilopsis linearis    –>   Chitalpa taschkentensis.
Chilokatalpa, wie sie hier gennant wird, zeichnet sich durch eine lange Blütezeit aus (Mai bis Oktober), durch eine besondere Blütenpracht, hohem dekorativem Wert und einem schnellen Wachstum sowie leichter Adaption an den Standort.
Anfang der 70’er kamen amerikanische Wissenschaftler in den Botanischen Garten mit dem Ziel neue Pflanzen zu entdecken und zum Erfahrungsaustausch. Russanov schenkte ihnen zwei Stecklinge seiner Hybride – ohne vorher ein Patent auf seine Arbeit zu stellen. (Das hätte sich im damaligen System in die Jahre gezogen und hätte mehr Nerven gekostet, als wir uns das vorstellen können). Die Amerikaner haben diese Pflanze erfolgreich auf den Markt gebracht.


Chitalpa taschkentensis - rosa Blüten
Chitalpa taschkentensis - weisse Blüten
Chilokatapla
Chitalpa taschkentensis
Chilokatalpa

Freitag, 27. Mai 2011

Ankunft und erste Eindrücke

Soo liebe Leute, die erste öffentliche Nachricht aus Taschkent.
Bin seit 17. Mai in dieser sonnenverwöhnten Stadt. Der Start war leider alles andere als erfreulich. Mir wurde zugesichert, dass ich bei Ankunft abgeholt werde. Die war allerdings mitten in der Nacht (02:30) und ich wurde nicht, wie vereinbart, abgeholt. Dank alter Freunde und der Hartnäckigkeit meiner Mama, wurde ich gegen 03:00 heil vom Airport abgeholt und habe bei den Freunden übernachtet. In der Zwischenzeit, d.h. erst gegen 08 Uhr früh, wurde ich bereits von den Mitarbeitern des Botanischen Gartens in Taschkent gesucht. Hätten sie sich auch sparen können, hätten sie mich, wie vereinbart, abgeholt.
Nun denn...gegen Mittag, nach 3 Stunden Schlaf, habe ich ein Lebenszeichen von mir gegeben und wurde gleich zum Direktor zitiert. Nachdem Alexej ihnen klar gemacht hat, dass ich bis 8 Uhr früh am Airport gewartet habe, und die Verantwortlichen mich im Stich gelassen haben, wurde der Termin beim Direktor auf den 18. Mai 08:30 verlegt.


In der Früh wurde mir ein Taxi bestellt, das mich zum BoGa (Botanischer Garten) gefahren hat. Der erste Eindruck war ernüchternd, ich fühlte mich in die Sowjetzeiten zurückversetzt - also es hat sich nichts verändert. Für das verwöhnte europäische Auge wirkt alles sehr alt, verfallen und ungepflegt. Aber selbst Einheimische staunen, wie zugewuchert und ungepflegt der BoGa ist.
Nun denn, da stand ich jetzt im Empfangszimmer des Direktors. Nach einem Einführungsgespräch mit der Vertreterin des Direktors wurde ich zu ihm reingelassen. Babakul Jörkulowisch Tuchtaew (53) ist ein geborener Tadschike, der "zwei Gesichter" hat. Irgendwie merkt man sofort, dass er in wirklichkeit ganz anders ist, wie er sich verkauft. Er hat mich herzlich begrüsst, wollte meine Hand fast nicht loslassen. Die erste Frage lautete: "Und Olja,           na wie ist es so dort,         in Germanien?     Was gibts Neues?"
Ähmm, nun denn. Ausser : "Es ist alles wunderbar" konnte ich darauf nichts antworten.
Irgendwann kam die Frage wie groß Germanien sei, wobei Babakul Jörkulowitsch ganz schelmisch meinte, dass Usbekistan geografisch deutlich größer sei als Deutschland und suchte kopfnickend Bestätigung bei seiner Stellvertreterin, die mit im Raum saß. Ich hatte nichts als ein Lächeln für sein dummes Geschwätz übrig, denn was soll man einem Menschen beweisen, der hochmütig ist?

Der Fall Direktor war schnell klar und hat sich im Laufe der Woche bestätigt. Keiner seiner Mitarbeier empfindet Respekt oder Sympathie für ihn. Manche nutzen ihn für eigene Zwecke. Er schreit die Mitarbeiter an, stellt keine Leute ein und rechtfertigt sich gelegentlich, dass er kein Geld aus der Kasse nimmt. Er stellt nicht mal Mitarbeiter ein um wenigstens das Unkraut zu entfernen. Neu gepflanzte Bäumchen sind von Unkraut umzäunt und verlieren diesen Konkurrenzkampf. Oder es wird vergessen zu bewässern - die jungen Pflanzen vertrocknen. Ein großes Problem sind Lianen, die einen beachtlichen Baumbestand befallen. Äste brechen ab, die Bäume ersticken. Bäume von über 60 Jahren gehen zugrunde, weil es niemanden gibt, der sich um sie kümmern kann und von Lianen befreien kann.
Der Direktor wünscht, dass junge Pflanzen im SOMMER umgepflanzt werden sollen - Ratschläge von Mitarbeitern, die 40,50 Jahre Berufserfahrung haben, schlägt er aus. "Ich bin der Generaldirektor, ich bin Doktor der Wissenschaften, ich weiss alles" kriegen sie manchmal lautstark zu hören. 

Es gibt hier eine Art besondere Liebe für und Wissenschaftstreiben mit Liriodendron tulipifera (toller Baum!). Es gibt im BoGa Exemplare, die ca. 30m hoch und über 60 Jahre alt sind. Dieser Baum ist sehr anspruchsvoll und gibt nicht so viele Samen her, wie er könnte. D.h. die Mitarbeiter können maximal 5.000 Samen in 3 Jahren sammeln. Der Direktor hat dem usbekischen Präsidenten 170.000 junge Bäume in 5 Jahren versprochen, nachdem der Präsident in China durch eine Liriodendron tulipifera Allee gefahren worden ist, und dermaßen beeindruckt war, dass er sich in Taschkent auch eine wünschte. 

Liriodendron tulipifera

Liriodendron tulipifera, um die 60 Jahre alt

Liriodendron tulipifera

Freitag, 6. Mai 2011

Ich glaubs ned, aber es ist wahr!

Nach ewigem Stillstand in Sachen Visum ging plötzlich alles ziemlich schnell. Habe Anfang April meine Unterlagen an die AdW (Akademie der Wissenschafen) geschickt. Nach 3 Wochen kam eine Telex-Nummer die ich beim Visum mitangeben sollte. Habe noch einen freundlichen Brief für den verehrten Herrn Botschafter aufgesetzt, damit der Ehrwürdige doch bitte innerhalb von 2 Wochen meinen Reisepass incl. Visum schickt - und holla! es geht auch in einer Woche. Geil, geil, geil. Heute den Reisepass zurückbekommen und gleich das Flugticket geordert. Für schlappe 451,20 (+ 64 € Gepäckkosten und Essen auf dem Flug) fliege ich am 16.05. von München über Riga nach Taschkent und im September retour. Geil. Ist des ned scheee, ha?
Habe natürlich auch regelmässig nach den Temperaturen in Taschkent geschaut - jeden Tag bis 32°/35° - ohhhh, ich kann es kaum erwarten. Bekannte von uns haben berichtet, dass in Taschkent die Erdbeersaison schon zu Ende ist und ich wahrscheinlich zur Kirschsaison ankomme. Ohhh, da geht mir mein Obstherz auf.
So der nächste Post wahrscheinlich erst, wenn ich gelandet bin. grins